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15. - 25.05.2025

Eugen Shkolnikov
Davids Erbe: Stilles Echo

Fotografiert mit David Feldmanns Iskra-Kamera aus der UdSSR.
Ein Erbstück. Eine Brücke zwischen damals und heute. Ein Echo der Wurzeln.

Einleitung
Mein Großvater David Feldmann war Fotograf in der Sowjetunion, ich bin es heute in Deutschland. Unsere Familie kam nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hierher – zwei Leben, Jahrzehnte und Welten voneinander entfernt. Doch etwas verbindet uns:
Der Blick durch den Sucher, das Bedürfnis zu dokumentieren, zu gestalten und zu erinnern. Als das Thema der Ausstellung bekannt gegeben wurde, fiel mein Blick auf einen alten Aktenordner mit persönlichen Dokumenten. Am 06. März – ohne es zu wissen, am Todestag meines Opas – öffnete ich diesen zum ersten Mal. Darin fand ich: Briefe, Telegramme, Bilder und offizielle Papiere. Es war, als würde sich seine Geschichte wie ein Mosaik neu zusammensetzen. Vieles blieb unausgesprochen, verschwiegen – aber zwischen diesen Lücken entfaltete sich etwas Unerwartetes:

Nähe. Erinnerung. Herkunft.

Ein verwurzeltes Echo in Bildern.

Diese Arbeit ist eine visuelle Spurensuche entlang der Fragen:
Wo liegen unsere Wurzeln – und was hallt in uns nach?
Wie bleiben wir verbunden mit denen, die vor uns waren,
und mit dem Ort, an dem alles begann?

David Feldmann,
geboren am 13.08.1926 in Malin
(knapp 100 km in der Nähe von Kiew in der Ukraine).


 

Kamera & Materialwahl
Das Bild wurde mit der professionellen Dienstkamera meines Großvaters
aufgenommen – einer Iskra-Kamera aus der UdSSR – auf Kodak Ektar 100 Farbfilm.
Sie war sein Arbeitsgerät als Fotograf in der Sowjetunion und wurde
zwischen 1961 und 1963 produziert. Die Iskra ist eine faltbare Messsucherkamera
mit einem Industar-58 75mm f/3.5-Objektiv – eine hochwertige Nachbildung der
Agfa Super Isolette von 1954. Der Name "Iskra" bedeutet "Funke" und wurde wohl in
Anlehnung an die von Lenin gegründete sozialistische Zeitung gewählt.
Auf dem Ausstellungsbild selbst ist seine private Kamera zu sehen – sie steht
symbolisch für seine persönliche Leidenschaft. Die Kamera, mit der ich das Bild
aufgenommen habe, war dagegen das Werkzeug seines beruflichen Alltags.
So entstand dieses Werk mit dem, womit er einst gearbeitet hat –
eine bewusste Hommage. Eine Brücke zwischen damals und heute.
Ein Echo meiner Wurzeln. Der Hintergrund besteht aus Papier – ein Material, das aus
Bäumen stammt und somit eine direkte Verbindung zum Thema Verwurzelung herstellt.
Das Papier wurde mit Kaffee eingefärbt, zerrissen und wieder zusammengefügt, um
Vergänglichkeit, Brüche und Wiederherstellung zu verdeutlichen.
Die Risse selbst erinnern an Wurzeln – sie durchziehen das Bild wie Spuren der
Vergangenheit.

Persönlicher Bezug
Diese Arbeit ist mein Versuch, eine Verbindung zu meinem Großvater und
zu unserer gemeinsamen Herkunft herzustellen – ein Erinnerungsraum,
in dem Biografie, Herkunft und das Gefühl von Zugehörigkeit zusammenfinden.
Auch ich habe meine Wurzeln teils verloren und teils neu schlagen müssen.
"Davids Erbe: Stilles Echo" ist deshalb nicht nur eine persönliche Widmung,
sondern auch eine Reflexion über Verwurzelung und Entwurzelung:
über Generationen hinweg, über Grenzen hinweg – zwischen Schweigen
und Sichtbarkeit, zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Telegramm, 1974 – „Alles ist gut“

Diese sowjetische Telegrammkarte aus dem Jahr 1974 wurde an meine Großmutter in Simferopol (meinem Geburtsort) geschickt.
Der Absender: Mein Großvater David Feldmann, damals weit entfernt von der Krim, im russischen Ust-Omchug bei einer seiner vielen Dienstreisen, über deren Details er meist nicht viel preisgeben wollte oder konnte.

Mit wenigen Worten sendete er Beruhigung und Nähe:
„Alles ist in Ordnung. Details per Brief. Kuss. Dodik.“
(ВСЕ БЛАГОПОЛУЧНО ПОДРОБНОСТИ ПИСЬМОМ ЦЕЛУЮ ДОДИК)

Die Form ist bürokratisch, der Inhalt zutiefst persönlich.
Zwischen den maschinellen Zeilen verbirgt sich familiäre Fürsorge,
verschickt über tausende Kilometer, auf dünnem Papier.

Heute, Jahrzehnte später, wirkt dieses Telegramm wie eine verwurzelte Erinnerung:
ein stiller Beweis für Verbindung trotz Entfernung, eine Facette seiner Geschichte,
die auch meine eigene geprägt hat und weiterhin prägt.

 

Bildinterpretation
Das Bild zeigt eine bewusst gespiegelte Anordnung:
Links die Vergangenheit, rechts die Gegenwart.
•    Zwei Kameras: Die alte Kamera meines Großvaters und meine
moderne Kamera symbolisieren die generationsübergreifende Verbindung
durch die Fotografie.
•    Dokumente und Ausweise: Sie erzählen von Migration,
Identität und Heimat – von sowjetischen Papieren bis hin zu deutschen Dokumenten.
•    Fotos & Erinnerungen: Bilder meines Großvaters bei der Arbeit als Fotograf
stehen neben meinen eigenen Aufnahmen in einem modernen Kontext.
•    Alte & neue Alltagsgegenstände: Währung, Passbilder, technische Geräte –
alles spiegelt den Wandel der Zeiten wider.

Making Of
Schlusswort

Das ist das Einzige, was es von uns beiden gibt. Aber es reicht.
Спасибо, Дедушка. Bсе благополучно. Целую, Женя.
(Danke, Opa. Alles ist in Ordnung. Kuss, Eugen.)

 

Bildnachweise und ein herzliches Danke an: Annika Elbers, Robert Eikelpoth,
Tom Hoffmann, Robin Hückstädt, Gerardo Santiago, Björn Upietz, Tim Upietz.

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