
16. - 25.05.2025
verwurzelt
VERWURZELT
Mareen Fischinger

Verborgene Erinnerungen im Wurzelwerk
Zwischen sandigen, hängenden und gerissenen Wurzeln treten Gegenstände aus dem Erdreich hervor. Ein umgestürzter Baum gibt sie frei – zwischen Fetzen und Blättern tauchen sie auf: Kinderspielzeug, persönliche Fotos, eine Trinkflasche, Schmuck von der Großmutter, ein Portemonnaie mit einer Vielfliegerkarte, zwei Bücher, Küchenutensilien, ein Porzellandeckel, gefallene Würfel, ein Funkempfänger, ein deutscher Kinderpass, Skihandschuhe, eine Zahnspange, eine recht moderne Tastatur und eine Uhr aus den 1990igern, eine Filmrolle, ein Kleidungsstück, ein Aufnäher mit Europaflagge, Matchboxautos und ein Medikament. Sie liegen da, unversehrt, als hätten sie die Zeit überdauert.
​
​​


​Über die Zukunft​
Das Gedankenspiel reicht weiter: Was, wenn in der Zukunft erneut Dinge unter der Erde verschwinden?
Was, wenn moderne Gegenstände – Smartphones, Schlüssel, Dokumente, Spielzeug – in Jahrzehnten oder Jahrhunderten so unter den Schichten liegen, wie es mit den Objekten der Vergangenheit geschah?
Was sagt diese Vorstellung über unsere Zeit, unsere Gesellschaft und ihre Stabilität? Über die Stabilität, derer wir uns bis vor Kurzem so sicher wähnten.
​​
​
Über das Wegsehen
Während der Installation vor Ort läuft eine Spaziergängerin durch den Wald und steigt ohne weitere Aufmerksamkeit über den umgefallenen Stamm. Ihre Augen sind allein auf ihr Smartphone gerichtet und sie nimmt die temporäre "Ausstellung" nicht einmal wahr.
Eine kleine Stelle voller Erinnerungen, eine Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Zukunft – und doch bleibt ihr Blick in Social Media gefangen.
Was sagt das über uns aus?

Trümmerberge im Kölner Grüngürtel
Der Innere Grüngürtel Kölns verbirgt mehrere Trümmerberge – aufgeschüttet nach dem Zweiten Weltkrieg aus Millionen Kubikmetern von Überresten zerstörter Gebäude. Der bekannteste unter ihnen ist der Herkulesberg (Mont Klamott), bei dem wir uns befinden. Er ragt 25 Meter über seiner Nachbarschaft. Auch der Aachener Weiher wurde aus Kriegstrümmern geformt. Die Vergangenheit liegt hier unter der Erde, überlagert von Jahrzehnten der Stadtentwicklung.
Der August-Sander-Park entstand auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Gereon. Heute ist er ein Ort der Freizeit und Begegnung. Doch was darunter liegt, bleibt verborgen.
"Verwurzelt"
Die Ausstellung Verwurzelt, organisiert vom Berufsverband Freier Fotografen und Filmgestalter e.V., findet im Mai 2025 auf einer Grünfläche dieses historischen Geländes statt. Die Fotografien stehen – wie jüngst erst Wahlplakate – mitten in der Natur – und auf dem, was einst war. Die Besucher*innen bewegen sich über Schichten aus Erde, Geschichte und Erinnerungen, von denen nur ein Bruchteil sichtbar ist.
​
Alltagsfragmente
Die heute hochgewachsenen Bäume greifen mit ihren Wurzeln tief in die Vergangenheit. Ihre Wurzeln durchdringen Erdschichten, die Ephemera aus einer anderen Zeit bewahren. Dinge, die Menschen nicht mitnehmen konnten oder die verschüttet wurden. Fragmente des Alltags, die nie dafür gedacht waren, zu überdauern, doch nun vielleicht von den Baumwurzeln gestreift werden.
​
​​​Wenn die Wurzeln nicht mehr halten
Heftige Regenfälle und Stürme setzen der Landschaft zu. Bäume entwurzeln, weil ihre Wurzeln in der sandigen Schicht keinen dauerhaften Halt mehr finden. Ein einziger Sturm könnte einen Baum umstürzen – und dabei die Schichten darunter freilegen.
Was würde zum Vorschein kommen?



